ID Genève: Zirkuläre Identität

ID Genève: nachhaltige «Swiss made»-Uhren aus Recycling-Materialien

Reden wir über Nachhaltigkeit: Was wäre, wenn man nicht auf Luxus verzichten müsste und trotzdem die Umwelt schont? Wenn es eine Armbanduhr gäbe, die auf den Prinzipien des Recyclings und nachwachsender Rohstoffe beruht? Die lokal hergestellt wird und nur einen geringen CO2-Abdruck verursacht? Und dabei keine Abstriche bei Design und Qualität macht? Mit diesen Gedanken haben der Unternehmer Nicolas Freudiger und der Designer Singal Depéry in kürzester Zeit über Crowdfunding Kapital gesammelt, um ein Unternehmen zu gründen. Mit Uhrmacher Cédric Mulhauser stürzten sie sich in das Abenteuer, eine «grüne» Uhr zu entwickeln. Die ID Genève war geboren.

Die Geschichte auf dem Weg zu einer umweltfreundlichen Armbanduhr beginnt mit der Gewinnung des Rohmaterials. Eine hochwertige Uhr braucht hochwertigen, rostfreien Stahl. Logisch, aber wo bekommt man ihn her, ohne eine enorme Menge Energie zu verbrauchen? Die Lösung findet sich bei den Herstellern von Premium-Chronometern im schweizerischen Jura. Die Stahlabfälle, sortenrein sortiert, bilden das Rohmaterial, das eingeschmolzen und neu bearbeitet werden kann. Hier kommt die innovative Firma Panatere ins Spiel, die in der Lage ist, den Stahl so aufzubereiten, dass die gewünschte Qualität entsteht. Aber auch dazu bedarf es Energie und den liefert – die Sonne. Kostenlos. Zu einhundert Prozent. Mit einem speziellen Solarschmelzofen wird die Kraft des Himmelskörpers eingefangen und konzentriert. «There are those who want to go to Mars, we go with the sun!», scherzen denn auch die Gründer Nicolas und Singal. Noch wird ein Solarschmelzofen in Frankreich genutzt, aber sein Pendant ist in der Schweiz bereits im Bau. Nun haben wir den CO2-freien Stahl, aber noch keine Uhr. Aber Panatere kann auch das Gehäuse herstellen. Es ist modular aufgebaut, sodass sich die verschiedenen Uhrenteile leicht auswechseln lassen. Dies ist Teil des Nachhaltigkeitskonzepts von ID Genève, denn so kann das Design mit wenig Aufwand angepasst und den individuellen Wünschen des Käufers entsprochen werden. Der Bandanstoss soll mehr oder weniger Spiel haben, die Wangen werden mit einem geriffelten Muster an der Aussenseite gewünscht? Alles bleibt im Recyclingzyklus erhalten. Jetzt haben wir das Gehäuse, doch wie wird es befüllt? Es ist klar, dass nicht einfach ein neues Uhrwerk eingebaut wird, wobei wieder viel Herstellungsenergie entstehen würde, während gleichzeitig bereits vorhandene Uhrwerke ungenutzt bleiben. ID Genève geht hier klug vor und nutzt das Know-how anerkannter Hersteller und bereitet deren zuverlässige, zertifizierte Uhrwerke auf. Diese werden «skelletiert», das heisst die Markennamen werden entfernt. So entstehen Automatikuhren, die ohne Verschwendung von Ressourcen auskommen. – Fussnote: Warum eine Batterie mit giftigen Inhaltsstoffen nutzen, wenn die Uhr sich auch von selbst aufziehen kann?

Die Automatikuhr, welche zu 1OO % aus der Kreislaufwirtschaft stammt

Die Gründer von ID Genève und ihr Team verfolgen gegenüber ihren Kunden eine Politik der Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg und gehen offen mit der Zusammensetzung der entstehenden Kosten um. Hier zeigt sich, dass die Herstellungskosten im Vergleich zu anderen Uhrenmarken dieses Preissegments relativ hoch sind. Denn das «Swiss made»-Unternehmen stellt wirklich alle Teile in der Schweiz her und nicht nur den vorgeschriebenen Anteil, um sich dieses Label noch anheften zu dürfen. Gleichzeitig zeigen aber die Zahlen, dass der Anteil der Herstellungskosten über dem liegt, was sonst üblicherweise eingepreist wird und für deutlich höhere Gewinnmargen sorgt. Die ID Genève-Philosophie zeigt, dass es möglich ist, sich dem gedankenlosen Konsum entgegenzustellen und eine lokale Kreislaufwirtschaft zu betreiben, in welcher vermeintlicher Abfall als wertvoller Rohstoff begriffen wird. Nicht umsonst wird der verwendete «Solarstahl» auch als «Juragold» bezeichnet. Der schlichte Upcyclingansatz macht das Unternehmen so interessant. Kurz gesagt: Die Devise lautet Nachhaltigkeit statt Komplikationen. Dies gelingt in einem Zusammenspiel verschiedener Akteure, die dasselbe Ziel verfolgen und dabei gemeinsam etwas Neues schaffen.

Kosten + Herkunft

Recycling Uhrwerk
- Kostenanteil: 10.8 %
- Kosten: CHF 120
- Herkunft: Jura, Schweiz

Zifferblatt + Applikationen
- Kostenanteil: 7.2 %
- Kosten: CHF 80
- Herkunft: Jura, Schweiz

Zeiger
- Kostenanteil: 1.3 %
- Kosten: CHF 15
- Herkunft: Jura, Schweiz

Uhrengehäuse
- Kostenanteil: 53.8 %
- Kosten: CHF 600
- Herkunft: Jura, Schweiz

Uhrenarmbänder
- Kostenanteil: 4.5 %
- Kosten: CHF 50
- Herkunft: London, GB / Italien

Verpackung
- Kostenanteil: 1.8 %
- Kosten: CHF 20
- Herkunft: Esher, GB / Schweiz

Umhüllung/Qualitätskontrolle
- Kostenanteil: 2.7 %
- Kosten: CHF 30
- Herkunft: Genf, Schweiz

Design & Entwicklung
- Kostenanteil: 3.4 %
- Kosten: CHF 150
- Herkunft: Genf, Schweiz

Kapitalkosten
- Kostenanteil: 4.5 %
- Kosten: CHF 50
- Herkunft: Genf, Schweiz

=

Herstellkosten 100%
Total exkl. MWST: CHF 1.115

Verkaufspreise
inkl. MWST: ab CHF 3'770

Straps made with 1OO % green waste from London parks

Jetzt fehlt uns zur vollständigen Uhr nur noch das Armband, welches in das ganzheitliche System passen muss. Dafür wird auf eine besondere Art von veganen Rohstoffen gesetzt: Abfälle aus der Natur- und Landwirtschaft. Die britische Firma Biophilica nutzt für ihr Material, welches sie «leaf leather» nennt, zu einhundert Prozent Grünabfälle aus Londoner Parks. Ein anderer Hersteller, Vegea aus Italien, verwendet als Grundstoff Traubentrester aus der Weinerzeugung. Das Band wird abschliessend mit einer Schnalle aus Panatere-Stahl versehen. Zum Schluss müssen wir nur noch über die Verpackung sprechen. Da man in Untersuchungen festgestellt hat, dass die üblichen schönen und aufwändigen Uhrenschatullen eigentlich nie benutzt werden, hat sich ID Genève dazu entschlossen, ihre Uhren in kompostierbaren Verpackungen des britischen Herstellers Magical Mushrooms auszuliefern. Insgesamt zeigt sich: ID Genève verfolgt die Idee, den Uhrenmarkt grundsätzlich aufzumischen und zu revolutionieren, und hat das Potenzial, dass dies auch tatsächlich gelingt.

'Circularity is the Super League of sustainability.'
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