Kennengelernt habe ich Tobias Møhl während meines Aufenthaltes auf der maledivischen Insel Soneva Fushi. Dort war er eingeladen, für drei Wochen als Gastkünstler zu arbeiten und aus dem inseleigenen Recyclingglas wunderschöne Glaskunstwerke zu erschaffen. Eine reizvolle Aufgabe für den dänischen Glaskünstler. Am Ende seines Gastaufenthaltes wurden seine Werke in einer Ausstellung präsentiert. Somit bot sich den Inselbesuchern die Gelegenheit zum Kunstgenuss sowie zum Erwerb vor Ort. Beeindruckend, was aus alten Flaschen entstehen kann – eine faszinierende Kombination aus venezianischer Technik, dänischem Understatement und maledivischem Licht.
Seinen persönlichen Ausdruck zu finden, weiterzuentwickeln, immer weiter zu verfeinern und zu veredeln ist für Tobias Møhl von grösster Bedeutung. Er möchte seinen eigenen Stil klar definieren und anschaulich machen. Seine Faszination für Handwerk und Design und sein Wunsch, ein qualifizierter Kunst-Handwerker zu werden, haben ihn früh zur Glasbläserkunst gebracht. Diese sind für ihn das Medium, um sich als handwerklich arbeitender Künstler auszudrücken. Bereits vier Jahre nach seiner Ausbildung beim Königlichen Hoflieferanten Holmegaard in Hørsholm, Dänemark hatte er zum ersten Mal das grosse Glück, als Meisterschüler mit dem venezianischen Künstler Lino Tagliapietra zusammenarbeiten zu können. Zwei weitere Meisterklassen sollten noch folgen. Lino Tagliapietra, als bester Glasbläser der Welt anerkannter Maestro, führte ihn an die venezianische Technik heran, die er dann in skandinavischer Weise adaptierte und für sich weiterentwickelte. Die Erforschung des Materials und seiner Möglichkeiten hat Tobias Møhl einen organischen Stil entdecken lassen, dessen zurückhaltende Farbtöne und schlichten Details zu einer Raffinesseführen, wie sie für das dänische Design typisch ist. Es entstehen zurückhaltende klare Kunstwerke mit der Wirkung lebendiger Organismen. Sein Talent hat Tobias Møhl in zahlreichen Ausstellungen von Italien über Japan bis zu den Vereinigten Staaten unter Beweis gestellt. Heute zählt er – mehrfach ausgezeichnet – zu den weltweit renommierten Glaskünstlern und seine Werke finden sich in vielen öffentlichen und privaten Sammlungen. Er arbeitet inzwischen in seiner eigenen Werkstatt und ist Teil einer erfolgreichen Generation dänischer Glaskünstler – Dänemark hat bei nur fünf Millionen Einwohnern 200 Glasbläser.
Auf Soneva Fushi hatte ich die Gelegenheit, Tobias Møhl bei seiner Arbeit zu beobachten und die vielen Arbeitsschritte zu verfolgen, die es bedarf, bevor am Ende ein einzigartiges und ausdrucksstarkes Kunstwerk aus Glas entstanden ist. Die Glasbläserei ist eine hohe Kunst, zugleich auch eine handwerkliche Tätigkeit, die einen grossen Körpereinsatz erfordert. Voller Energie widmet sich Tobias Møhl seiner Aufgabe und verfolgt seinen Weg als freischaffender Künstler. Mit Ruhe und Konzentration entwickelt er Schritt für Schritt eine Vorstellung davon, was sich in dem Stück Glas, das er bearbeitet, verbergen könnte. Welcher Geist, welches textile Ornament ist hier gefangen und soll in ein Kunstwerk befreit werden? Auf mich als Laie wirkt das alles wie Magie: Die Wandlung des Materials, seine verschiedenen Aggregatzustände und Farben machen es kaum vorstellbar oder auch nur erkennbar, wie das Endprodukt aussehen könnte. Eigenartige Werkzeuge, deren Funktionen sich mir erst in der Anwendung erschliessen, füllen den Raum. Hinzu kommt diese Hitze, ohne die Glaskunst nicht realisierbar ist. Eine schweisstreibende Arbeit, die auch mit Rückschlägen verbunden sein kann, und doch sehr befriedigend ist, wenn am Ende ein hochwertiges singuläres Stück von transparenter Zartheit zutage tritt.
